Der Kulturabend der Gesamtschule Nippes kam durchaus zeitgemäß daher. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Schule eine Schule im Aufbau ist, keine einfachen Startjahre hatte und gerade ca. 400 Schüler misst war dies eine enorme Leistung: an die 70 Akteure wechselten in rasantem Tempo Takt und Stil ihrer musikalischen und darstellerischen Beiträge und haben das Publikum in der Tat begeistert. Kurzweil und dramaturgische Abwechslung war also angesagt in der voll besetzen Aula in der Paul-Humburg-Straße 13. Die Polizei von Longerich wurde zu Recht vorgewarnt, denn der Saal dröhnte.
Eine märchenähnliche Soap-Opera-Folge zeigte einen Lebensabschnitt des Nomadenkönigs Nolti von Nippesinien (dargestellt vom Schulleiter Herrn Nolte), der durch geheimnisvolle Kräfte sein Königreich nach Longerichinien umsetzen musste und nun die kluge Prinzessin Ottilie als Gehilfin ehelicht (dargestellt von der im neuen Schuljahr antretenden Stellvertretenden Schulleiterin Frau Otte), weil sich seine Untertanen wild vermehren und seine Arbeit zunimmt. Eingeweihte schmunzelten über die humoristisch verarbeitete Parodie der Ereignisse an der Schule, die von der Darstellen und Gestalten Gruppe der Stufe 6 ganz im Jargon der Vorabendserien des Privatfernsehens präsentiert wurde.
Ohnehin waren die künstlerisch interdisziplinären Beiträge der Darstellen und Gestalten Gruppen sehr kreativ: ein Schattentanz von drei Mädchen gefiel dem Publikum ebenso wie eine Schattenliebesszene, die Gefühl für Anmut und Sinn für Dramatik in gezielt eingesetzten Gesten bewies.
Der Jahrgang 7 (Darstellen und Gestalten) stellte eine alltägliche Situation im Zugabteil als Stomp-Performance dar: ein Reisender schnipst aus Langeweile einen rhythmischen Pattern. Wie zufällig interagieren die Mitreisenden untereinander darauf mit den gerade in der Hand haltenden Gegenständen und geraten in einen Beat, der sie nicht mehr los lässt und in einem Konzert gipfelt.
Schüler der Klasse 5A boten eine differenziert verklanglichte Darbietung der Geschichte „Schnurrdiburr oder die Bienen“ von Wilhelm Busch dar und hatten sichtlich Freude daran.
Viel Applaus erhielt der Sketch „Rita Fohlen und die Zwergentalentshow“, der entzückend pointiert von Klasse 5 B gespielt wurde und sogar ein anwesendes Kleinkind belustigte, weil dort ins Mikrofon „gepupst“ wurde.
Ob Mozart alle seine vier Vornamen auswendig aufsagen konnte? Auch unser lockiger Mozart-Darsteller (Oliver 5B) im „Interview mit Herrn Mozart“ erfreute das Publikum mit seiner Ungewissheit darüber. Der Reporter (Luis 5B) war wohl auch ein wenig nervös, denn so einen berühmten Komponisten kriegt man nicht alle Tage für´s Interview. Gleichwohl unterhielt er das Publikum köstlich mit der Quirligkeit eines versierten Viva-Reporters.
Der Chor/Challenge-Musikgruppe sorgte zu Beginn des Abends mit „Oh happy day“ für gute Stimmung und zeigte filigrane Töne im „Shake it Out“ (Version für Chor) wobei die Solistinnen ihre nicht ganz einfachen Parts charmant meisterten.
Überragend bunt und akrobatisch gekonnt glänzte die Zirkus-AG mit ihrem Beitrag, der untermalt von mitreißender Stimmungsmusik ein Highlight vor der Pause war.
Der Auftritt der Band - diesmal mit drei Liedern -war wie schon seit Gründung der Band ein ersehnter und beliebter Beitrag, wobei die Qualität und Stimmsicherheit der Solistinnen (herausragend: Luzie) erstaunlich zugenommen hat.
Mehrere tanzende Girlgroups präsentierten ihre fleissig einstudierten Tänze und bekamen großen Applaus, dabei waren die Darbietungen mal dezent, mal gefühlvoll, mal keck, mal gewagt.
Dies insbesondere die Schlussnummer (Remix), die durch mitreißende choreographische Vielseitigkeit und eine Art sexy Coolness die Aufmerksamkeit des Publikums keineswegs überstrapazierte und die Überlänge des Beitrags vergessen lies.
Einige beachtliche kammermusikalische Solodarbietungen der Schüler Valentin Stormberg (5A Geige) und Charlotte Felgner (5A Klavier), Max Zimmer (6D Klavier) und Simon Malzahl (5B Klarinette) ernteten mit Recht großen Beifall und zugleich konzentrierte Aufmerksamkeit, und das obwohl sie den Hörgewohnheiten einiger Schüler im Saal bestimmt nicht entsprachen. (Musik von Mozart, Beethoven, u.a.)
Ganz der Jugendmusikkultur entsprechend hingegen waren die gefühlvollen Gesangsbeiträge „Mama do“ Piexie Lott und „Impossible“ .
Eine herausragende Soloperformance zeigte Louisa Mbakop, die „Changes“ (Thupak Shakur) im eigenen afro-amerikanischen Rap-Style völlig hemmungslos das Publikum anrappend interpretierte, dies im gestischen und mimischen Ausdruck und mit der Intensität einer leidenschaftlichen Soulsängerin, ungekünstelt und echt. Ihr konnte sich keiner im Saal entziehen und lautstarke Anfeuerungen aus dem Publikum taten ihre Wirkung. Ein enorm fesselnder Auftritt, der mit verdienten Ovationen gewürdigt wurde. Nicht jede Schule birgt solches Talent.
Die Challenge-Musikgruppe war mit zahlreichen gut einstudierten Gesangs- und Tanzeinlagen oft auf der Bühne. Ein Resultat kontinuierlicher Proben.
Ein konzentriertes Team von Technikern, Requisiteuren/-innen und Bühnenarbeitern sorgte für einen erstaunlich reibungslosen Ablauf, so dass das Publikum bei Stange gehalten wurde und mit 22 Beiträgen der Zeitplan des Abends nicht gesprengt wurde. Die Pause von 25 Minuten bot genug Zeit zum Luft Schnappen und Klönen - bei einem erfrischenden Fruchtspieß oder Fruchtcocktail auf dem Schulhof. Ein Dank an Cihan, Özlem, Serpil, Sofian, Stefan, Frau Tietjen und Frau Bartek für diese kulinarische Erfrischung – und die Geburt des „Kulturcafés“!
Wegen der erwarteten großen Nachfrage wurde der Kulturabend am Folgetag noch einmal gezeigt. Hier bewiesen ein paar technische Pannen, dass nicht immer alles reibungslos verlaufen muss. Eine Wiederholung des ersten Abends war dieser ohnehin nicht. Einige Sketsche wurden wesentlich pointierter dargebracht und ein neuer Beitrag „Gespräch mit dem Schulleiter“ parodierte derart witzig die Not der Schulen um ihren Werbeeffekt, dass selbst die Darsteller sich vor Lachen krümmten. Auch die am zweiten Kulturabend einzigartige Darbietung des Liedes “Just the way you are” (Bruno Mars) von vier Mädchen beeindruckte durch mutige Mehrstimmigkeit im A-Capella-Stil. Gefühl und Leidenschaft in der Stimme bewies auch Lovell mit „We Can´t stop“ von Miley Cyrus, das sie sehr eindrucksvoll interpretierte. Moritz aus der Zirkus AG meisterte den Zirkus-Beitrag an diesem Abend gänzlich alleine mit Bravour.
Qualität und Vielseitigkeit der musikalischen, tänzerischen und darstellenden Leistungen aller Protagonisten bewiesen ein hohes musisch-künstlerisches Potential an der Schule.
Nach diesem Abend ging mit Sicherheit so mancher Schüler beglückt nach Hause. Einige ernteten an diesem Abend jene Anerkennung, die sie sonst im Schulalltag aufgrund des Fächerkanons an den Schulen nicht so oft erreichen. Schule muss gerade deshalb auch emotionalen, ästhetischen Fähigkeiten und Neigungen der Schüler Raum bieten, dass sich Schüler darin ausprobieren und verwirklichen können.
17.07.2013 / E.Mezerova